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Goodfellas (USA 1990, M. Scorsese)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 22.12.2006 09:34    Titel: Goodfellas (USA 1990, M. Scorsese) Antworten mit Zitat

gesehen am 20.12.2006 und 11.06.2009 (DVD), 22.02.2011 (BD); 5/5

Mit 21 Jahren hat Henry Hill (Ray Liotta) es geschafft. Der Sohn einer italienischen Mutter und eines irischen Arbeiters aus Brooklyn trägt feinstes Tuch, stolziert in von Hand gearbeiteten Schuhen herum, hat jede Mange Bares in der Tasche und führt die heißblütige Karen (Lorraine Bracco) vom Auto über die Straße durch Keller und Küche bis in das Lokal des "Copacabana", direkt an den extra für ihn aufgestellten Tisch vor der Showbühne. Martin Scorsese und sein Kameramann Michael Ballhaus zeigen dies in einer berühmt gewordenen Plansequenz, die das Lebensgefühl perfekt einfängt: Henry Hill ist ein aufstrebender "wise guy", ein ausgekochter Gangster, der für die Mafia arbeitet und in seiner Umgebung Ansehen und Respekt genießt. Seine Lebensgeschichte hat er dem amerikanischen Journalisten Nicholas Pileggi erzählt, der nach seinen Tonbandprotokollen einen ebenso packenden wie authentischen Bericht aus der Welt des organisierten Verbrechens veröffentlichte.

"Solange ich denken kann, wollte ich immer Gangster werden", läutet Henry Hill im Voice-over-Kommentar den Rückblick auf seine Gangsterkarriere ein. Das klingt nicht nur wie der Traum eines jeden Jungen "Ich wollte schon immer Pilot werden"; es ist ernst gemeint. Der junge Hill ist fasziniert von den Mitgliedern der New Yorker Quartier-Mafia, von Jimmy (Robert de Niro) und Tommy (Joe Pesci), die machen können, was sie wollen, auf niemanden Rücksicht zu nehmen brauchen – außer auf die über ihnen – und viel Geld bei ihrem Beruf verdienen. Und Hill hat das Glück (oder Pech?), in diese ehrenwerte Gesellschaft aufgenommen und eingeführt zu werden, stets an der Seite von Jimmy und Tommy. Henry macht Karriere. Schon bald organisiert er selbst Banküberfälle. Wer dabei im Weg steht, wird "weggeräumt", umgebracht. Dabei sind Jimmy und vor allem Tommy nicht zimperlich. Sie verstehen ihr Handwerk, einschließlich Mord, und kennen kein Pardon und kein Gewissen. So vergehen die Jahre und Henry baut sich eine wahre Gangsterexistenz auf, einschließlich Frau Karen, Kindern und einer drogenabhängigen Geliebten.

Mit dem minutiös nachgezeichneten Ablauf eines Sonntags im Mai 1980 leitet Scorsese das psychische Ende seines Protagonisten ein. Von der Drogenfahndung observiert, hetzt Henry Hill durch den Tag - zwischen Familie, Geschäft und Verfolgungsparanoia hin- und herwechselnd -, bis er abends, sichtlich mit den Nerven am Ende, gestellt wird. Weil er seine Geschäfte seinem Mafia-Boss Paulie (Paul Sorvino) gegenüber nicht offen gelegt hat, lässt der ihn fallen, und auch vor Jimmy ist er nun nicht mehr sicher. Henry stellt sich dem FBI und packt vor Gericht umfassend aus - im Gegenzug erhält er eine neue Existenz, ist fortan dazu verdammt, in einer kleinbürgerlichen Wohngegend sein Dasein zu fristen.

Scorsese malt ein Sittengemälde über einen Zeitraum von gut dreißig Jahren. Dabei schildert er, stilistisch wegweisend für das US-Kino der 1990er Jahre, das kriminelle Milieu als ein eigenständiges soziales Milieu mit allen grausamen und doch für die Beteiligten selbstverständlichen, in Fleisch und Blut übergegangenen Regeln. Die filmische und erzählerische Virtuosität, mit der Scorsese die Lebensentwürfe und Lebensläufe der handelnden Personen in dem sich verändernden Zeitgeist von den 50er bis zu den 80er Jahren schildert, ist beeindruckend und beklemmend zugleich. Scorsese benutzt eine episodische Struktur, setzt eine Off-Stimme und Standbilder ein, verfolgt Seitenstränge und Details, statt die kontinuierliche Narration gleichmäßig zu entfalten. Die mitunter zwischen Grauen und Komik wechselnden Szenen unterlegt er mit zeitgenössischen Popsongs. Dazu zieht er uns mit einer ungeheuer beweglichen, stets schwenkenden oder zoomenden Kamera und einer schnellen, präzisen Schnitt-Technik in diese Welt hinein, die nur von der Gier nach Macht, Geld und Einfluss geprägt sind, versteckt hinter einer oberflächlich bürgerlichen Fassade mit Sippe und Gemeinschaft – natürlich in der Hauptsache von Männern. Freundschaft, Ehre, Vertrauen herrschen in diesem Milieu nur bis zu dem Punkt, an dem das eigene Streben nach Macht und Geld in Gefahr gerät. An diesem Punkt ist jeder bereit, seinen besten Freund brutal zu ermorden. Wenn etwa ein aus dem Gefängnis zurückgekehrter Mafiosi wegen einer Beleidigung auf das Grausamste umgebracht wird, bedeutet dies für die Beteiligten nichts anderes, als wenn jemand Bäume fällt, um ein Grundstück zu bebauen: die drei treten ihn mit den Füßen so lange ins Gesicht, bis er bewusstlos ist. Als sie ihn im Auto fortschaffen und merken, dass er noch lebt, traktieren sie ihn mit einem Küchenmesser und schießen ihm noch mehrfach in Kopf und Körper, bis auch ganz sicher ist, dass er tot ist. Solche Szenen werden nicht häufig gezeigt; aber wenn, sind sie nicht nur abstoßend, sondern porträtieren zugleich die Verhaltensmuster eines Milieus, das auf eine schier unmenschliche Weise selbstgerecht ist.

Scorsese ist Moralist, ein extremer Moralist sogar: Er lässt die Figuren für sich sprechen. Sie sind es, deren Verhalten, Denken, Handeln den Betrachter wechselseitig abstoßen oder anziehen, deren Milieu auf den Zuschauer als Zeugen attraktiv oder widerlich wirkt, ein Milieu, das kompakt, logisch "durchdacht", verhaltensmäßig eindeutig ist – und doch brüchig wie kaum ein anderes, weil die Fassade von Ehre und Freundschaft gnadenlos zusammenbricht, wenn sich auch nur einer beleidigt fühlt. Der Film bewahrt bei alldem eine bemerkenswerte Balance zwischen emotionaler Einbeziehung und distanzierter, kritischer Auseinandersetzung - diese Ausgeglichenheit macht den Film zu einem Meisterwerk.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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