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McCabe and Mrs Miller (USA 1971, R. Altman)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 14.01.2007 23:49    Titel: McCabe and Mrs Miller (USA 1971, R. Altman) Antworten mit Zitat

gesehen am 10.12.2006, 14.01.2007 (DVD) und 22.10.2016 (BD); 4/5

Was Robert Altman auszeichnete, illustriert vielleicht am schönsten eine Anekdote, die er im Audiokommentar zu diesem Western erzählt. Als er vor Drehbeginn die Entwürfe der Kostümabteilung ansah, stellte er fest, dass alle Männer Cowboyhüte tragen sollten, wie man das eben aus Western kennt. Das wolle er aber nicht, sagte Altman, das sei unrealistisch. Wieso, wurde zurückgefragt, auf den Fotos von damals trügen die Leute auch solche Hüte. Daraufhin hielt Altman einen Vortrag: Ob sie denn wüssten, wie kostbar damals Fotoplatten gewesen seien? Die habe man unter Garantie nur dann belichtet, wenn es etwas Besonderes zu sehen gab, etwa einen Mann mit so einem prachtvollen Hut. Wenn das damals so alltäglich gewesen wäre, dann hätte sich bestimmt niemand die Mühe gemacht, davon ein Foto zu machen. Also tragen die Männer in "McCabe und Mrs Miller" nun alle möglichen Kopfbedeckungen und man kann nicht leugnen, dass es sehr zum Eindruck der Authentizität beiträgt. Die Anekdote zeigt natürlich vor allem, wie sehr Robert Altman den Bildern misstraute, die sein Land, die Vereinigten Staaten von Amerika, von sich (und seiner Geschichte) entworfen hatte.

"McCabe und Mrs Miller" ist also ein Western, aber gewiss ein ungewöhnlicher, einer, der dem Genre das Verlogene nimmt. Die Art, mit den Augen eines Passanten auf das Treiben in einem Kaff zu blicken, die Hauptfiguren wie zufällig aus dem Geschehen zu picken und sich allen Forderungen der Dramaturgie zu entziehen, war und ist kühn. Warren Beatty spielt einen Glücksritter, einen ziemlich einfachen Mann (eben kein draufgängerischen Revolver-Helden), der auf das Geschäft mit der Prostitution setzt und die ganze Zeit in seinen Bart murmelt, und die wunderbare Julie Christie (die übrigens auch in "Wenn die Gondeln Trauer tragen" spielt) ist eine Madame, die ihn dazu bringt, die Sache mit dem Bordell etwas größer und professioneller aufzuziehen und sich ansonsten dem Opium-Rausch hingibt. Die beiden Stars (die im wirklichen Leben ein Paar waren) wirken eigentlich wie abwesend, zwischen ihnen wird es nie funken. Tatsächlich scheint aber auch das nur konsequent. Altmans Methode der Nichteinmischung, die dem Treiben mit der Kamera meist aus großer Ferne zusieht, treibt der Geschichte jede Romantik aus und es ist auch kein Zufall, dass man sich für sie am meisten dort erwärmen kann, wo die größte Kälte herrscht. Wenn das Dorf langsam zufriert und Warren Beatty im Schneetreiben um sein Leben kämpft, während Julie Christie ahnungslos Opium raucht, ist die emotionale Bindung komischerweise größten.

Wie groß Altmans Einfluss noch immer ist, sieht man schon daran, dass die aktuelle Westernserie "Deadwood" wie eine Adaption von "McCabe" wirkt. Alles, was die Serie auszeichnet, ist bei Altman schon vor dreißig Jahren präsent gewesen: die Art, wie im Vorübergehen auf das Geschehen zu blicken, das langsame Anwachsen des Städtchens und das Auftauchen von Vorboten des Fortschritts (im Film in Form einer Dampfmaschine) und die Überzeugung, dass der Westen niemals wild und schon gar nicht frei war, weil er von Anfang an eine Spielwiese des Kapitals war, das dort strenge Regeln festlegte und ihre Einhaltung mit größtmöglicher Brutalität durchsetzte. Da sagt es schon einiges aus, dass die Helden ihr Geld mit Prostitution verdienen und dafür aber nicht aus Gründen höherer Moral büßen müssen, sondern weil die Herrschaften der Bergbaugesellschaft in dem lukrativen Gewerbe keine Nebenbuhler wünschen. Wie Warren Beatty deshalb am Schluss im Schnee verblutet und gleichzeitig erfriert, während im Ort jeder wie üblich seinen Geschäften nachgeht, das ist schon die gnadenloseste Absage an jene Form von Identifikationskino, gegen welches Robert Altman sein Leben lang ankämpfte.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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