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Fedora (F/D 1978, B. Wilder)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 30.01.2019 18:39    Titel: Fedora (F/D 1978, B. Wilder) Antworten mit Zitat

gesehen am 30.01.2019 (BD); 3/5

Schauspieler haben bei ihm nichts zu melden, er kümmert sich bloß ums Drehbuch. Das war die Meinung von Humphrey Bogart, nachdem Billy Wilder 1953 „Sabrina“ mit ihm gedreht hatte. Eine subjektive Meinung und von amerikanischer Sicht des amerikanischen Kinos bestimmt – in den späten 1950er Jahren hätte auch Godard sie noch unterschrieben. Amerikanisches Körper-, Gesten-, Action-Kino hat Wilder nie wirklich gemacht. Für die zugeknöpften, wortkargen Typen ist in seinen Filmen kein Platz, wohl aber für die Brabbler und Haspler und Schnellfeuersprecher wie Jack Lemmon und Walther Matthau und für Jean Arthur und Shirley MacLaine. Man merkt Wilders Kino seine Drehbuchschreiber-Vergangenheit immer an. Die Inszenierung einer bestimmten Art von Sprache, die zu zeigen erst durchs Kino möglich wurde, der Umgangssprache, die in ihrer Bildlichkeit und Präsenz dem Kino so nah ist, weshalb das wohl keine genuine Kinotat sein soll? Gerade die Amerikaner und dazu solche, die seine Filme nicht mochten, bestätigen Wilder ein geschärftes Ohr fürs amerikanische Idiom. Wilder schrieb für Howard Hawks das Drehbuch zu „Ball of fire“, das war eine Art Geburt der Nation aus dem Geist der Sprache, ihrer gesprochenen Sprache, dem Slang. Für Hawkssche Verhältnisse war es ein langsamer Film. Denn Wilders timing erfasst andere Dinge. Sein Maß für Schnelligkeit ist die punktuelle Schlagkraft von Witz.

Wilder wurde im damals österreichischen Galizien geboren und hieß dort schon Billie. Er lernte das Schreiberhandwerk bei Berliner Zeitungen und schrieb Drehbücher für die Ufa. Er wurde in den fünfziger Jahren einer der erfolgreichsten Regisseure in Hollywood, mit Komödien, tragischen zumeist, blieb dabei aber eigentlich ein europäischer Regisseur. Er hat in vielen Genres gearbeitet oder besser, verarbeitet hat er sie. Mit „Double Indemnity“ lieferte er einen Höhepunkt des Film Noir, aber dann drehte er ihm 1950 mit „Sunset Boulevard“ den Hals um: die Stimme aus dem Off, aus dem Nowhere, die verlorene Kommentatorstimme des Geschichtenerzählers, die die schwingende Basis des ganzen Genres war, er unterlegte sie der im Swimmingpool treibenden Leiche von William Holden. Seine erklärten Vorbilder, eine komische Mischung, sagt er selbst, sind Stroheim und Lubitsch. Stroheim, das kann man sehen, für seine naturalistische Grausamkeit und das Ausstattungskino, mit seinem Architekten Alexandre Trauner hat Wilder die falschen realistischen Möglichkeiten, die überzeugenden Details, die das Ganze erst richtig glaubhaft machen, bis ins Letzte genutzt. Elegant suggestiv wie Lubitsch ist er nie gewesen, weil er im Unterschied zu diesem nie fasziniert war vom schönen Schein. Er hat immer aufdecken wollen, was darunter war. Elegant und bei Lubitsch gelernt ist allenfalls die Ökonomie in der Lösung von Inszenierungs- und Drehbuchproblemen. Was ihn jedoch sicher mit Lubitsch verbindet, mehr mit dem Berliner als mit dem von Hollywood polierten, ist das, was Lotte Eisner verächtlich „Jewish Slapstick“ genannt hat. Wie die Pointen bei ihm kommen, wie er selbst, zwanghaft, in Interviews auf jede Frage einen Gag als Antwort setzt und wie jede Geschichte auf eine Pointe hingedreht wird und dann einfach rausgelassen wird, was an die Oberfläche möchte, darin wird die jüdische Connection sichtbar, die dem komischen amerikanischen Tonfilm seinen Drive gegeben hat, angefangen beim Wortzinnober der Marx Brothers. Möglicherweise treibt man so Schabernack mit der Sprache, weil man in ihr nicht ganz zu Hause ist.

Seine sprichwörtlich rüde Redensart, die zynischen Wendungen seiner Geschichten, seine nie erlahmende Aggressivität haben bis heute etwas von der Kodderschnauze des Berliner Zeitungsjungen behalten. Und wie er es bis ins hohe Alter betrieben hat, wirkt er in seinem Feld wie die Diven in seinen Filmen über Hollywood, wie Nora Desmond in „Sunset Boulevard“ und wie Fedora, denen ihre Jugend so zur Gewohnheit geworden war, dass sie ganz einfach nicht von ihr lassen konnten.

„Fedora“, seinen vorletzten Film, drehte er, nachdem die Universal ihn hatte hängen lassen, mit deutschem und französischem Geld. Ehe der Film in Amerika herauskam, sagte er einer amerikanischen Filmzeitschrift: „Ich kann gar nicht verlieren; wird der Film ein Hit, ist es meine Rache an Hollywood; wird er ein Flop, ist es meine Rache für Auschwitz.“ Von seinen Erfindungen sagt Wilder, sie seien nur Arrangements von Bekanntem unter einem neuen, ungewohnten Blickwinkel.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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