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Escape from New York (USA 1981, J. Carpenter)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 01.04.2019 03:00    Titel: Escape from New York (USA 1981, J. Carpenter) Antworten mit Zitat

gesehen am 31.03.2019 (UHD); 4/5

Die Fassade des Gesetzes ist eine gewaltige Mauer, mit der man das Herz von New York, Manhattan, umschlossen hat. Es ist zum nationalen Hochsicherheitsgefängnis erklärt worden, zum Number One Prison. Ein einziges gibt es für das ganze Land. Man hat seine Gründe. Es klang schon außerordentlich zynisch in „Escape from Alcatraz“ von Don Siegel, wenn der Direktor Wert legte auf die Feststellung, in seinem Gefängnis würden keine guten Bürger gemacht, wohl aber gute Gefangene. Das ist lange her. Das war in den 1960er Jahren, als Alcatraz geschlossen wurde. Inzwischen hat der amerikanische Staat seine Tendenz, für die Unterprivilegierten nicht mehr aufzukommen, so weit getrieben, dass man die Lebenslänglichen, kostensparend, in einer Art Self Service dem freien Spiel der eigenen Kräfte überlassen hat. Die Stars unter ihnen benutzt man zuweilen zur Verbrecherbekämpfung, von solch einer gefährlichen Mission handelt der Film.

Snake (Kurt Russell), dessen Name in dieser Unterwelt einen Klang hat, wie früher der von Al Capone oder Billy the Kid, hat seine Überlegenheit im Kampf ums Dasein beim Dienst fürs Vaterland gelernt. Seinen Gesten sieht man das militärische Training an. Die Welt ist in akutem Alarmzustand, Trump kann man sich gut darin vorstellen. Unterwegs zur Gipfelkonferenz, die die universale Katastrophe abwenden soll, wird der Präsident der Vereinigten Staaten entführt. In einem roten Kolumbusei gerät er bei der Bruchlandung mitten unter die Verbrecher. Das Raumfahrtzeitalter hat auch die Topografie der Gefängnisfilme verändert. Das einfache Innen und Außen mit Gittern dazwischen, das eine vertraute geometrische Ordnung erkennen ließ, gibt es nicht mehr. Man muss sich in die Lüfte heben, wenn man in dieses Gefängnis reinwill oder aus ihm raus. Deshalb zum Beispiel ist „Escape from New York“ ein Sciencefiction-Film. Dessen Fortsetzung auch so aussehen könnte: Einige Jahrzehnte später, die ganze Erde ist zur Gefängnisinsel erklärt worden...

New York, das immer schon Avantgarde auf Zukünftiges hin war, ist 1997 so verkommen, so unbewohnbar geworden, dass es gerade noch zur Verbrecherkolonie taugt. Allzu große Veränderungen erwartet Carpenter bis dahin nicht mehr. Seine Gypsies und Junkies sehen nicht viel wilder aus als manche der Typen in „Taxi Driver“ von Scorsese; ihre Art sich auszustaffieren ist einem geradezu vertraut als letzter Schrei der Subkultur. Das bisschen Hollywood-Glamour auf den Bildern vom gefangenen Präsidenten verhindert nicht, dass man sofort an die von Terroristen veröffentlichten Verbrecherfotos denkt. Das Alte und das Neue, das Bekannte und das Ausgedachte sind so gemischt, dass das Zukünftige in den gegenwärtigen Formen längst angelegt erscheint. Es existiert im Grunde längst. Wodurch ein jeder Fortschritt sein Minuszeichen bekommt und, atemberaubend, uns dem Abgrund näher bringt. Aber wer wüsste nicht, dass die Angst im Kino das halbe Vergnügen ist. Und hier schaut Kino allenthalben durch. „Wir hätten ein tolles Team abgegeben“, sagt Lee van Cleef seinem Helfer wider Willen, der den Job, den er ihm anbietet, nicht nimmt. Das ist der klassische Satz aus hundert Western, wo der Sheriff ihn zum Gunfighter sagt, der nach gemeinsam bestandenem Abenteuer lieber weiter zieht. Da sind wir auf bekanntem Grund. Die Helden sind noch ganz die alten und auch die Frauen gleichen praktischen Gefährten, wie Hawks sie sich für seine Filme erfand.

Seit seiner Kindheit, sagt Carpenter, habe er im Sinn gehabt, nicht bloß Filme zu machen, sondern ein echter Hollywoodregisseur zu werden. Bei ihm sind die Vorbilder vitaler verarbeitet als bei De Palma und Bogdanovich, bei denen vor lauter Zitaten und Kinovergangenheit manchmal gar kein eigener Film entstehen will. Carpenter ist es zum guten ausgeschlagen, dass er im Unterschied zu anderen berühmten Namen aus Hollywood immer mit geringem Budget auskommen musste. Es haftet seinen Filmen bei aller Gekonntheit etwas Handgemachtes an. Es ist bezeichnend, was er in seinen Filmen nicht alles selbst macht. Die größere Unabhängigkeit schafft Leichtigkeit und Spielerisches. Und macht erfinderisch.

Von Science-Fiction hat der Film die Einfachheit der Story, eine Idee zum Start, aus der sich alles weitere fast automatisch entwickelt. Nur lassen sich die Guten und die Bösen, die sonst in diesem Genre säuberlich getrennt sind, nicht eindeutig unterscheiden. Sie sind zwielichtig wie der ganze Film. Er ist ein Nachtfilm – wie es sich gehört für einen Film, der Angst einjagen soll. Fast eine Stunde muss man warten bis zur ersten Tagaufnahme und mit der natürlichen Helligkeit ist es dann sehr schnell wieder vorbei. Sie dauert gerade so lange, dass man versteht, es ist das Licht in diesem Film, das das Spektakel schafft. Das Licht ist der Hauptdarsteller. Das Licht, das die Konturen der uns vertrauten Formen so total verändern kann. Das uns im Kino dazu bringt, Dinge zu sehen, die auf der Leinwand gar nicht abgebildet sind.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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