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Rene
User seit: 25.08.2006 Beiträge: 3171
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Verfasst am: 12.05.2019 00:57 Titel: To sleep with anger (USA 1990, C. Burnett) |
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gesehen am 11.05.2019 (BD); 4/5
Dieser Film lässt sich in keine Schublade pressen. Von einem schwarzen Filmemacher mit fast ausschließlich schwarzen Darstellern für ein nicht nur schwarzes Publikum gemacht, fällt er völlig aus dem Rahmen des sogenannten „Black Cinema“, das ab Mitte der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre vor allem durch die Filme von Spike Lee einen enormen Schub bekam. Aber in Hollywood hatte niemand Wohltätigkeit im Sinn. Der einzige Grund für diese Erfolge und dass dort einige schwarze Regisseure wie beispielsweise auch Carl Franklin oder John Singleton in den Neunzigern ihre Chance erhielten, war einzig einem ästhetischen Trend zuzuschreiben.
Und alle Massenmedien förderten diese Erscheinung und verdienten daran. Die Plattenindustrie mit ihren Rapstars ebenso wie die Printmedien, in denen Kritiker, die sich selber keine Minute in eine Welt hinauswagen würden, wie sie etwa in „Boyz ‘n the hood“ dargestellt wird, über die Glaubwürdigkeit der dargestellten Charaktere befinden. Dabei werden ganz unterschiedliche Filme leichtfertig zu einem griffigen Pseudogenre zusammengefasst.
Vermittelt wird meistens, die afroamerikanische Bevölkerung würde vor allem aus drogengeschädigten Kriminellen bestehen. Während die meisten Filme dieser Zeit das dann noch eher laut ausmalen, ist Burnetts Kino, leise und verschmitzt, immer schon seiner Zeit voraus gewesen. Deshalb passen seine Filme auch eher in die 2010er Jahre. Burnetts Protagonisten sind keine schieß- und rachsüchtigen Ghettokids, sondern biedere Mittelstandsbürger, deren Leben sich wenig von dem in vergleichbaren weißen Vororten unterscheidet. Adrette Hausfrauen mit gebügelten Haaren und Doris Day-Frisuren sorgen sich liebevoll um ihre Familien und versorgen fleißig den Haushalt in ihren üppig dekorierten Puppenstuben. Es gibt einige Seitenhiebe auf einschlägige TV-Serien wie die „Bill Cosby-Show“.
Hip-Hop entstand aus dem Spannungsfeld afrodiasporischer Kulturtraditionen und sozialökonomischen Veränderungen in der postindustriellen amerikanischen Großstadt. „A style no one can handle“ hieß es einmal über seine Ästhetik und dass es dem Markt niemals gelingen könne, ihn zu unterminieren. Das gleiche könnte auch für „To sleep with anger“ gelten.
Die Geschichte lebt davon, dass diese skizzierte Mittelstandsidylle von Anfang an ordentlich durchgeschüttelt, ja geradezu befragt wird, als Großvaters alter Kumpel Harry ins traute Heim vorübergehend einzieht und sich immer breiter macht. Er irritiert Opa und Oma, ihre Kinder und Enkel gleichermaßen mit seinem unerschütterlichen Aberglauben, mit seinen abstrusen Erzählungen und Launen und Dreistigkeiten. Sie lassen sich aus der Fassung bringen.
„Ich habe versucht“, sagt Charles Burnett, „die Folklore der alten Südstaaten, die über Jahrhunderte verschüttet und vergessen schien, mit einem dramatischen Konflikt in der Gegenwart in Verbindung zu bringen.“ Jene von afrikanischen Wurzeln, von Animismus, Mythen- und Aberglaube geprägte Folklore wird in dieser wundersamen Geschichte durch Harry personifiziert. Ist der nur ein Schnorrer und Scharlatan? Oder der Teufel? Hinter Harrys Gentlemen-Fassade brodeln die archaischen Triebe, verbergen sich mystische Kräfte und dunkle Geheimnisse. Er sät Zwietracht und Selbstzweifel bei seinen urbanen Zeitgenossen; schwache Seelen wie Babe Brother, das schwarze Schaf in der Familie, führt er in Versuchung mit Glücksspielen und zweifelhaften Ratschlägen. „Behandele Frauen nie als ebenbürtig“, erklärt er Babe Brother und empfiehlt ihm als Rezept gegen seine Ehekrise, einfach fremdzugehen.
Folglich sind es die Frauen, die sich ihm entgegenstellen. Die Idylle wird wiederhergestellt. Dass es ambivalent bleibt über das Ende hinaus, versteht sich von selbst. Darin liegt das Besondere von Burnetts Erzählung. Harry ist gar nicht so sehr ein klassischer Antagonist oder das stilisierte Böse - gegen Ende wirkt er geradezu hilflos in seiner Boshaftigkeit. Er ist wie ein Wind, der einmal kräftig durchfegt. Eine widerliche Laune, die unsere Abgründe und Widersprüche in Erinnerung ruft. Genau da, wo wir sie nicht akzeptieren wollen. _________________ "Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion." |
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