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Rene
User seit: 25.08.2006 Beiträge: 3171
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Verfasst am: 19.07.2019 17:27 Titel: No way out (USA 1987, R. MacDonaldson) |
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gesehen am 19.07.2019 (BD); 4/5
Hinter den generischsten Titeln verstecken sich die frenetischsten Filme. "No way out" ist durchdrungen von Begehren. Die politische Rückseite des Begehrens aber ist Zynismus. "Lucky it's not a bullshit detector or none of us would get in", meint Sean Young (als laszive Verführerin wenig überzeugend, später dann als manisch kichernde Genießerin umso großartiger), nachdem ihr Körper von oben nach unten auf Metall gescannt wurde. Costner blickt ihr aufgeregt hinterher, sie lächelt zurück, das ist die erste Begegnung, die Sache ist eigentlich schon entschieden. "You're pretty cynical" sagt er ein paar Blick- und Wortwechsel später, 1987 scheint das als Pickup-Spruch funktioniert zu haben. Im Taxi lassen sie dann, bevor sie sich übereinander her machen, eher pflichtschuldig die Trennwand zum neugierigen Fahrer herunter, dessen Begehren sie eigentlich durchaus auch als ein berechtigtes anerkennen.
Das zentrale Begehren hat nichts exklusives in diesem Film, es greift fast automatisch aus, erfasst andere Figuren: ihre Freundin, ihren anderen Geliebten, schließlich das gesamte Pentagon. Kevin Costner ruft seine Lady kurz nach Beginn der Affäre im Hawaii-Hemd, als wild thing aus dem philippinischen Stripclub an (kurz vorher wurde er, einfach so, zum Helden, weil er sich auf einem Kriegsschiff den Wellen entgegen geworfen hatte): kein Problem für den Film, der affirmiert den unglaublich guten Costner (dem man vom offenen Gesicht direkt in die Seele blicken zu können meint; der über keinerlei Impulskontrolle zu verfügen scheint) mit Haut und Haaren. Ehe und eigentlich auch Liebe sind keine Optionen im Film, es gibt nur die (beide Partner vitalisierende) Affaire ohne echte Intimität (zum Sex ins fremde Bett) und das asymetrische Ausbeutungsverhältnis Geliebte / Gönner. Die klassischen Container für Intimität und Sex sind sonderbarerweise noch nicht mal als Handlungshorizonte verfügbar.
Das zentrale Begehren fällt plötzlich, ziemlich genau in der Filmmitte, weg, einem Affektmord zum Opfer (Schuld daran ist vorderhand Gene Hackman, Youngs anderer Geliebter; vielleicht aber eigentlich doch eher Costner selbst, weil der kurz vorher zum ersten Mal eine Begrenzung in das Begehren einziehen will, auf Exklusivität pocht; dass er sich in einem nennenswerten Sinn verliebt hat, kann man trotzdem kaum behaupten). Es geht dann später um zwei Begehren: das objektlos gewordene Costners und ein blockiertes, homosexuelles (Will Patton ist mindestens so großartig wie Costner), das ein, da kann man kaum drum herum reden, schon recht problematisches Ende findet - aber andererseits kommuniziert der Film so offen, dass vielleicht gerade dieses Ende reflexiv wird, die krude Konstruktion durchsichtig macht auf die impliziten homophoben Tabus nicht nur dieses Films, sondern des gesamten Kinos der Mittachtzigerkörperexzesse; auch die besten dieser Filme - neben dem in diesem Kontext allerdings trotzdem atypischen No Way Out sind das für mich bislang Perfect von James Bridges und Hardbodies von Mark Griffiths - stoßen da immer wieder an innere Grenzen.
Der zweite Teil ist atemberaubend dynamisch und spielt komplett im Inneren des Pentagon. Costner leitet und torpediert die Ermittlungen gegen sich selbst und legt mehr oder weniger das gesamte Verteidigungsministerium lahm (für Spannung sorgt frühe Computertechnik: ein Bild, das sich selbst zeichnet, wird irgendwann den vermeintlichen Täter, also Costner, zeigen). Das politischem Zynismus entsprungene Begehren hat sich (vielleicht konsequenterweise) zur Staatskrise ausgeweitet.
"Neo-Noir” kann vieles bedeuten: ein bloßes stilistisches Zitat, eine narrative Struktur, die sich an der hartgekochten crime fiction der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts orientiert, oder eine komplette, fetischisierende Nachinszenierung eines historischen Filmstils. Immer geht es darum, das Kino der jeweiligen Gegenwart mit einer seiner Vergangenheiten in Verbindung zu setzen: mit der, die sich in den Vierziger und Fünfziger Jahren in einigen atmosphärischen amerikanischen Kriminalfilmen formiert hatte. Die Filme in unserem Programm tun das auf sehr unterschiedliche Weise. "No way out" ist unter dem Aspekt des Neo-Noir vielleicht der interessanteste: Einerseits ist er stärker als die meisten der Filme, die sie hier sehen können, seiner Gegenwart, der Gegenwart der späten 1980er-Jahre verhaftet, andererseits unterhält er von allen Filmen des Programms die direkteste Beziehung zu dem historischen Phänomen film noir. "No Way Out" basiert auf dem Film "The Big Clock" aus dem Jahr 1948, einem düsteren Thriller von John Farrow; beziehungsweise auf dessen literarischer Vorlage von Kenneth Fearing.
Der Film übernimmt von den Vorlagen vor allem die Ausgangssituation: Es geht um einen Mann, der nach einem Mord, den ein anderer begangen hat, dazu gebracht wird, Jagd auf sich selbst zu machen; genauer gesagt soll er Jagd auf einen fiktionalen Wiedergänger seiner selbst machen, der im Fall von No Way Out auf den Namen Yuri hört und ein sowjetischer Agent ist. Ansonsten nehmen sich Donaldson und sein Kameramann Robert Garland viele Freiheiten. Die entscheidende Differenz betrifft den Schauplatz: Wo Ray Milland in der ersten Verfilmung noch als Reporter in einem großen Redaktionshaus beschäftigt war, spielt No Way Out in der Politikszene von Washington DC und in der zweiten Filmhälfte fast durchweg im Pentagon. Wo im klassischen Noir eine gigantische Weltzeituhr noch lediglich metaphorisch für eine weltumspannende Totalität stand, begibt sich das Remake direkt ins Zentrum der geopolitischen Macht. Diese Vereindeutigung ist nicht plump, sondern Strukturprinzip des Films: Alles, was in der Vorlage latent und ambivalent geblieben war, drängt an die Oberfläche und treibt dort wilde Blüten. Duchaus auch die problematischeren Aspekte des Films, wie seine nun nicht mehr latente Homophobie.
Roger Donaldson, der Regisseur, stammt aus Australien, drehte seine ersten Filme in Neuseeland, No Way Out ist sein zweiter amerikanischer Film. Anders als die meisten anderen Filmemacher, die in unserer Reihe auftauchen, hat er seine Karriere relativ bruchlos, oft auch ein wenig profillos bis in die Gegenwart fortsetzen können. Man könnte ihn als typischen Regiehandwerker abtun, der in allen Genres und Produktionszusammenhängen gleichermaßen zuhause zu sein scheint... andererseits finden sich gerade in solch beliebig anmutenden Filmografien oft die absonderlichsten Filme: Bei Donaldson muss man da nur auf den direkten Nachfolgefilm Cocktail mit Tom Cruise schauen, einen Film, der die ideologischen und ästhetischen Verirrungen der Achtziger wie kaum ein zweiter in sich aufhebt.
Und hinter dem generischen Titel "No Way Out" verbirgt sich einer der frenetischsten Filme des Jahrzehnts. Ein Film aus der und über die Schlussphase des kalten Kriegs, der die Räume der Macht mit einem alles umgreifenden Begehren kurzschließt. Und dieses Begehren scheint sich wiederum direkt aus politischem Zynismus zu speisen: "Lucky it's not a bullshit detector or none of us would get in", meint Sean Young, nachdem ihr Körper von oben nach unten auf Metall gescannt wurde. Kevin Costner blickt ihr aufgeregt hinterher, sie lächelt zurück, das ist die erste Begegnung, die Sache ist eigentlich schon entschieden. "You're pretty cynical" sagt er ein paar Blick- und Wortwechsel später, 1987 scheint das als Pickup-Spruch funktioniert zu haben.
Kevin Costner, dem mit diesem Film und Brian de Palmas im selben Jahr erschienen The Untouchables der Durchbruch gelang, war nie besser als in No Way Out: Man meint ihm durch sein offenes Gesicht hindurch direkt in die Seele blicken zu können. Seine Figur verfügt über keinerlei Impulskontrolle, sein Begehren ist durch nichts zu bändigen, eben auch nicht durch die im klassischen Noir theoretisch noch intakte Familie. Statt dessen greift es Schritt für Schritt über auf den gesamten Film; erst auf Sean Young, die anfangs noch als die zynische, im Grunde keusche femme fatale des klassischen Noir auftritt, die sich aber schnell in eine manische Genießerin verwandelt. Dann auf andere Figuren, schließlich auf das gesamte Pentagon. Besonders zu den Pentagon-Szenen eine Nebenbemerkung: No Way Out ist der letzte Film des Kameramanns John Alcott, der vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Stanley Kubrick bekannt wurde; und auch ohne die berühmten Steadicam-Exzesse kann man erkennen, wie sich das im Studio nachgebaute Pentagon, mit seinen paranoid überformten Fluren, Schritt für Schritt in einen Widergänger des Hotels aus The Shining verwandelt.
Wie das sexuelle Begehren, das sich aus Politikverachtung zu speisen scheint, schließlich unvermittelt wieder ins Politische zurückgebogen wird, in einem dann endgültig wahnwitzigen Filmende, das möchte ich hier nicht vorwegnehmen. Schließen möchte ich mit einer zentralen Erkenntnis, die man aus dem Film - vielleicht - gewinnen kann: Gerade im Schmierigen liegt die Wahrheit. Ein besonders schönes Bild dafür gibt es in einer Taxifahrt recht früh im Film: Costner und Young vergnügen sich auf dem Rücksitz, der Taxifahrer verfolgt das Schauspiel hocherfreut im Rückspiegel. Schließlich bittet Costner ihn dann doch, den Sichtschutz zu schließen; aber nicht, ohne vorher auch dieses Begehren, ein rein voyeuristisches Begehren, im Grunde ein Kinobegehren, als ein berechtigtes anzuerkennen. _________________ "Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion." |
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