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The Producers (USA 1967, M. Brooks)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 25.07.2019 15:20    Titel: The Producers (USA 1967, M. Brooks) Antworten mit Zitat

gesehen am 25.07.2019 (BD); 4/5

Komiker sind meist nur in ihren Erfindungen komisch. Mel Brooks ist eine Ausnahme. Wie seine Figuren sprechen, so hört man ihn auch in seinen Interviews reden. Einfach reden über Dinge, die allen vertraut sind – vielleicht wirkt es komisch. Seine Kritiker (Brooks sagt nicht „critics“ sondern „crickets“) finden, seine Geschichten wären keine. An üblichen Drehbüchern liegt ihm aber auch nichts. Einen Gag machen und auf der Stelle den Erfolg einheimsen in Form von dröhnendem Gelächter. Eine Geschichte ist nur dazu da, einen Produzenten zu finden, der einen den Film drehen lässt, in dem man pausenlos Dinge erzählt, die die Leute zum Lachen bringen. Eine Geschichte, die trägt, will Brooks nicht, er arbeitet ohne Netz. Lachen – das ist Explosion, Lachen muss unmittelbar passieren.

„Sehen Sie sich die jüdische Geschichte an. Ununterbrochenes Gejammer wäre da doch unerträglich. So bestimmte Gott, dass auf zehn Juden, die sich an die Brust schlagen, ein Verrückter käme, der die Brustklopfer zu amüsieren hätte.“ Und so kam es zu Chaplin, den Marx Brothers, Jerry Lewis, Woody Allen.

Von all denen hat Brooks noch am meisten gemein mit Groucho. Dieses unentwegte Gequatsche! Alles einfach herauslassen, bloß nichts unterdrücken, es könnte sich als komisch erweisen. Groucho ist Figur und Erfinder in einem und hat zudem als Pendant seine Brüder. Brooks steht allein da mit aufgerissener Brust und der unbezähmbaren Lust, unterhalten zu wollen. Seine Witze seien nicht immer das Feinste. Bullshit, sagt er.

Die Marx Brothers kamen vom Vaudeville, vom Varieté, zum Kino. Man verfilmte sie einfach. Es sieht ganz so aus, als käme Brooks zum Kino übers Kino. Das Wichtigste für ihn beim Filmemachen sind die Texte. Regie führt er nur widerwillig; weil er findet, dass andere Regisseure seine Witze auf den Hund bringen. Aber er ist nicht einer von den Schreibern, die das Kino nur gebrauchen und schänden. Er liebt das Kino als Teil des amerikanischen Lebens.

Er macht kein neues Kino. Er macht nach. Er setzt den Teil des amerikanischen Lebens in Szene, der zunächst den Weg über eine Bühne ins Leben gemacht hat. Das, was man in „The Producers“ auf der Bühne sieht, ist beste Busby-Berkeley-Manier, das rotierende Lackhakenkreuz, das ist Dreißigerjahre-Musical. Die neben den Hitlerbildern aus der Wand kippenden Kanonen sind liebevoll geklaut, aus „Yankee Doodle Dandy“ von Michael Curtiz, der aus der Puszta nach Amerika kam, wie der Impresario Max Bialystok im Film aus Wolhynien.

Mel Brooks imitiert eben nicht bloß die Formen solcher Filme. Aus ihrem Geist hat er die Geschichte seiner „Producers“ gemacht: dass es in Amerika keine Tabus gibt, die irgendjemanden davon abhalten könnten, Realität in Entertainment zu verwandeln. Jedes Material ist gerade gut genug, um Show zu werden. Busby Berkeley, in „The gold diggers of 1933“, komponierte ganze Tableaus aus Weltkriegssoldaten, zu denen dann eine Sängerin klagt: Remember my forgotten man. Die Schiffskanonen, die schon Curtiz auf sein Publikum richtete, feiern nicht nur die Ehe von Politik und Show. Sie verteidigen drohend und singend zugleich den American Way of Life. Schlechter Geschmack ist wirklich eine Kategorie aus dem hintersten Europa.

Die besten Intentionen bleiben ohne Effekt, wenn die Zuschauer nicht mitmachen. Die beiden Produzenten im Film, die, besten Gewissens und um ein bisschen Geld zu machen, Schund auf Schund und Ramsch auf Ramsch häufen, sind einfach machtlos. Verstehe einer das Publikum! Sie waren so sicher, es richtig auskalkuliert zu haben, „geklärt“ zu haben, wie es im Jiddischen heißt. Aber wann fängt es an, sich umzudrehen? Wo ist der Punkt, an dem es beginnt, Dinge zu lieben, die es gerade noch verabscheute? Wird schlechter Geschmack dadurch geadelt, dass er Gelächter hervorruft, wenn er amüsiert?

Kreative Buchführung nennt es Leo Blum, wenn er seinem Freund Bialystok die Bücher frisiert. Prisoners of Love heißt die neue Show, die die Drahtzieher der ersten inszenieren, nachdem sie wegen Betrugs in den Knast gewandert sind. Leo Blum, der kleine Nachprüfer, der von sich selbst sagt, dass er ein schwerer Fall von Hysterie sei, und der ohne sein Schmusetuch die alltäglichen Aggressionen im Kampf ums Dasein gar nicht überstehen würde, lernt durch seinen Freund Bialystok die Welt in einem anderen Licht sehen. Im Rampenlicht eigentlich. Der welterfahrene Max zeigt ihm, dass ihn gerade seine kleinliche Angst vor Gesetzt und Autorität ins Gefängnis brächte. Das Gefängnis, das ist die graue, alltägliche Welt, in der man sich keine Phantasien, keine Wünsche und Illusionen und krummen Touren gestattet. Der Weg in die Freiheit führt übers Vabanque, übers Spiel.

Sich Wünsche erfüllen heißt genau nicht, Bedürfnisse auf der Realitätsebene zu befriedigen. Illusionskino mit realistischen Maßstäben messen: weiter kann man das Nützlichkeitsdenken nicht treiben.

„Weshalb sollte ich die Deutschen nicht mögen? Nur weil sie arrogant sind und Specknacken haben und zu allem bereit sind, wenn es nur grausam ist, und Millionen von Juden in Konzentrationslagern umgebracht haben und Seife aus ihren Knochen und aus ihrer Haut Lampenschirme gemacht haben? Wäre das vielleicht ein Grund, ihren verdammten Schneid zu hassen?“

Wenn es Pop definiert, dass unterschiedslos alles zu Kunst werden kann, dann ist die Campbell-Suppendose, die am Hals des Hitler-Darstellers baumelt, ganz bestimmt ein Indiz, eine heiße Spur, die zur tieferen, wenn nicht gar zur letzten Bedeutung des Films führt.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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