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Rene
User seit: 25.08.2006 Beiträge: 3171
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Verfasst am: 24.08.2019 04:29 Titel: Sauve qui peut (la vie) (F/CH/Ö/D 1980, J.-L. Godard) |
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gesehen am 10.03.2015 und 07.08.2019 (BD); 4/5
La petite reine nannte man in Frankreich um 1900 das Fahrrad, liebevoll, hingerissen und mit Hochachtung.
Denise Rimbaud will ihr Leben ändern, das Fahrrad hilft ihr dabei. Sie wendet der Stadt, ihrem Geliebten und ihrem Fernsehjob den Rücken. Wie der Dichter stellt sie sich vor, dass das wahre Leben woanders ist; aber anders als der Dichter, der zu schreiben aufhörte und nur noch mit Waffen handelte, beginnt sie ein Buch zu schreiben und nimmt eine Arbeit auf einem Bauernhof an. Frauen sind kompletter, sagt Godard, sie lassen sich nicht zwingen zu wählen. Entweder-oder ist ein Männerproblem, mit dem, seit Aristoteles, die Verarmung anging.
Man sieht Denise auf ihrem Fahrrad die Anstrengung an, die es sie kostet, über und hinter die Berge zu kommen, wohin ihr Verlangen nach Veränderung sie treibt. Sie ist ein wenig ein Überbleibsel von 68. Sie hat es satt, nur immer weiter über Oberflächen zu gleiten. Mit Zeitlupe und Standverlängerung stoppt Godard den Fluss der Bilder, er konkretisiert Anstrengung aber nicht durch wiederholende Abbildung. Die Ereignisse sollen, statt Ausdruck zu sein, ihren Eindruck zurücklassen auf dem Filmstreifen. Wille und Muskelkraft, an ein Maschinchen angeschlossen, produzieren Bewegung. Die stotternden Bilder halten Bemühung fest. Ihr Inneres wird sichtbar – was sonst verschluckt wird, damit die Illusion von Kontinuität im Dienst einer Erzählung entsteht. So werden von Effekten die Bilder wieder zu Ursachen.
Zwei der drei Hauptpersonen des Films sind Frauen. Die zweite bringt körperliche Arbeit mehr im übertragenen Sinn ins Geschehen ein, sie ist Prostituierte. Mit Hilfe von Video habe er Bewegungsabläufe aufgelöst und feststellen können, sagt Godard, dass Frauen unvergleichlich mehr Gesten und Ausdrücke hätten als Männer. Männerbilder haben die Beweglichkeit der Frauen eingeschränkt und ihren wahren Rhythmus verfälscht. Die Geschichte des menschlichen Körpers müsste noch einmal mit Bildern geschrieben werden und wie die Bilder sich in die Körper gesenkt haben – was noch einmal eine Geschichte für sich wäre. Jedenfalls waren bisher die Bilder Agenten der Entfremdung zwischen Männern und Frauen.
In Godards Filmen gibt es neben Bildern und gesprochener Sprache immer auch Geschriebenes und Zahlen. Dieser Film fängt an bei Null. Das Kapitel 1, Denises Kapitel, trägt den Titel „Das Imaginäre“ – die Überschriften im Film funktionieren wie Tempobezeichnungen in der Musik. Denise verlässt die Stadt, Genf, um sich selbst wiederzufinden. Möglicherweise wird aus ihrem work in progress nie ein Buch, denn zur Definition des Imaginären gehört, dass sein schöpferischer Impuls sich nicht umsetzt in Objekte. Die Sätze aus ihrem Buch im Film sind von einem Mann, von Robert Linhart.
Das Kino ist Godards Umweg zu den Frauen; über „Le Mépris“ hat der Kameramann Raoul Coutard gesagt: Das ist der Brief an seine Frauen, der den Produzenten eine Million Dollar kostet. So entstanden früher in seinen Filmen die mysteriösen und auch misogynen Frauenbilder. Dann aber, zwei Jahrzehnte später, versetzt er sich in die Frauen, er identifiziert sich eher mit ihnen, auch wenn der Mann zwischen ihnen, dem das Kapitel „Die Angst“ gewidmet ist, seinen Nachnamen trägt. Wie Frauen sprechen, hört man bei ihm durch Marguerite Duras. Sie war bereit, in Godards Film mitzumachen, nur zeigen sollte sie sich nicht. Man hört sie sprechen. Von der Infantilität der Männer, die Godard besonders grausam vorführt mit inszenierten sexuellen Phantasien. _________________ "Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion." |
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