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Notes on a scandal (GB 2006, R. Eyre)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 24.02.2007 18:06    Titel: Notes on a scandal (GB 2006, R. Eyre) Antworten mit Zitat

gesehen am 22.02.2007 (Kino: Schauburg Karlsruhe); 3/5

Der Skandal ist folgender: Die Kunstlehrerin Sheba (Cate Blanchett) geht eine Affäre mit einem 15-jährigen Schüler ein. Man sieht ihn als forsches Bürschchen, das seine Verführungskünste mit pubertärem Stolz an einer erwachsenen Frau ausprobiert. Und man sieht eine Lehrerin, die zunächst verführt wird vom Lerneifer eines Unterschichten-Kindes, sich dann vom durchaus männlichen Interesse dieses Kindes geschmeichelt fühlt und schließlich willentlich die Augen verschließt, um berauscht von der eigenen Sorglosigkeit die Grenzüberschreitung zu genießen. Die Raffinesse des Films, basierend auf der Romanvorlage der britischen Schriftstellerin Zoë Heller, besteht nun darin, dass der Skandal lediglich den Hintergrund bildet für eine andere Geschichte, die in gewisser Weise ebenso skandalös ist, aber am Ende nicht mit dem Strafgesetzbuch bewertet werden kann. Denn das Tagebuch und die tragende Rolle gehört in diesem Film Barbara Covett (Judi Dench), einer älteren Lehrerin, die sich für die neu an die Schule gekommene Sheba sehr interessiert. Sie erweist sich gegenüber Sheba anfangs als gute Freundin, zunehmend aber - da sie als einzigste von Shebas Fehltritt weiß - als besessene Erpresserin, die sich in die junge Kollegin verliebt hat. Im Unterschied zum Buch kennzeichnet der Film Barbaras Begehren eindeutig als lesbisch, was aber nur scheinbar dabei hilft ihre Figur einzuordnen.

Barbara ist die Agierende und Intrigierende, während sich die schöne, ätherische Sheba mit ihrer unbestimmten Traurigkeit und ihrem Lebenshunger zum Spielball fremder Sehnsüchte machen lässt. Es ist Barbara, deren Perspektive der Zuschauer teilt – durch die Kamera, die zärtlich Cate Blanchetts Körper und Gesicht abtastet und damit das lesbische, nie ausgesprochene Begehren Barbaras für die jüngere Kollegin vermittelt: Sheba erscheint als Lichtgestalt, die Farbe und Schönheit in eine triste Lebenswelt bringt. Und da ist die Voice-Over, die Einblicke in Barbaras Tagebuch gibt und ihre Gedanken enthüllt: gnadenlos desillusionierende und negative Betrachtungen, was ihre Umwelt und ihre Mitmenschen betrifft, aber hoffnungslos romantisch und weltfremd, wenn es um ihre Beziehung zu Sheba geht. In dieser glaubt die alleinstehende, bittere Dame eine verwandte Seele gefunden zu haben, und sie geht davon aus, dass es ihnen bestimmt sei, ihr Leben in Zukunft zu teilen. Die Glanzpunkte der Woche – jene Tage, an denen sie kleine goldene Sterne in ihr Tagebuch klebt – sind für sie die Erlebnisse, die ihr den Eindruck vermitteln, Sheba wieder ein bisschen näher zu kommen. Und dieses Ziel verfolgt Barbara gänzlich unromantisch mit dem strategischen Geschick eines Nelson oder Wellington. Ihr Hauptverbündeter dabei ist Shebas Unsicherheit: ihre Verführbarkeit durch Steven, ihr Bedürfnis, bei der älteren Kollegin Halt zu finden. So nutzt Barbara Shebas „Fehltritt“ geschickt aus, um diese an sich zu binden und die junge Frau letztlich so zu isolieren, dass ihr nur noch die angebliche Freundin als letzte Zuflucht bleibt. Ein perfides, verstörendes Spiel einer Obsession, die keinerlei Unrechtsbewusstsein kennt, wenn es darum geht, sich den Gegenstand ihrer Liebe zu Eigen zu machen.

„Notes on a scandal“ erzählt eine Genregeschichte, das Psychodrama einer „verhängnisvollen Affäre“, wie man es bereits aus etlichen Filmen kennt – der Film jedoch schöpft seinen Thrill nicht aus einer reißerischen Überspitzung, sondern aus der Eindringlichkeit seiner Charaktere, aus der schmerzhaften Intensität ihres Sehnens und ihrer Nöte, auch wenn die Grundkonstellation weidlich bekannt ist. Das liegt an der Bildsprache, die eine große Nähe zu den Figuren herstellt und gleichzeitig ein bedrückendes Bild glanzloser Großstadt-Alltäglichkeit entwirft, während die Musik von Philip Glass konsequent eine Atmosphäre der Unbehaglichkeit und Bedrückung aufbaut: manchmal als unterkühlte Drohung, manchmal schrill den Schmerz akzentuierend. Eyre inszeniert einen Ensemble-Film vom Feinsten mit stimmigen, lebendigen Nebenfiguren und zwei großartigen weiblichen Stars. Judi Dench verleiht der ältlichen, fülligen Barbara eine bedrohliche Aura, um die sie so mancher Film-Bösewicht beneiden muss, ohne sie aber zum „Monster“ zu degradieren. Und schließlich ist der Film eine Ode an die Schönheit und darstellerische Sensbilität Cate Blanchetts, eine der großen Schauspielerinnen unserer Zeit.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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