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Meshi - Das Mahl (J 1951, M. Naruse)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 11.04.2007 11:12    Titel: Meshi - Das Mahl (J 1951, M. Naruse) Antworten mit Zitat

gesehen am 11.03.2007 (DVD); 4/5

Mit den ersten Worten und Bildern bindet der Film sich an einen Ort - "dies ist Osaka, die zweitgrößte Stadt in Japan" - und an eine Heldin, Michiyo (Setsuko Hara) die aus dem Off diese Worte spricht. Der Film bindet sich schnell; er erzählt von einer Frau, die, zu ihrem tristen Eheleben, an diesen Ort gebunden ist und beidem, Ehe und Lebensort, letzten Endes treu bleiben wird.

Treue und Bindung sind Thema des Films. "Meshi" ist die Geschichte einer Ehe, damit auch Geschichte eines Lebens und Alltags, dessen Rahmen und Grenzen - spürbare Rahmen, enge Grenzen - vorgegeben sind von den Folgen, die die Entscheidung für diese Ehe, für diesen Mann hat. Beide, Michiyo und Hatsunosuke (Ken Uehara) kommen aus Tokio, dort haben sie sich kennengelernt. Es war eine Liebesheirat, er ist ein kleiner Salaryman, solide, freundlich, maulfaul. Wenn Michiyo mit ihm ernsthaft sprechen oder gar streiten wil, dann legt er sich auf dem Boden des kleinen Hauses auf den Rücken, winkelt das linke Bein an und schlägt das rechte darüber. Er raucht eine Zigarette und schweigt. Michiyo gibt es dann auf, mit ihm zu streiten. Ihr wortloses Unglück zeigt der Film: der liegende Mann im Vordergrund, im Hintergrund macht sie den Abwasch.

Osaka, sagt Michiyo zu Beginn aus dem Off, ist die zweitgrößte Stadt Japans, aber die Umgebung, die wir sehen, zeugt nicht von einer Metropole. Verwinkelte Gassen, kleine Häuschen, die Nachbarn sind sich näher, als sie es gerne wären. Gleich gegenüber wohnt eine Frau, welche die englischen Untertitel als "Mistress" bezeichnen - wohl eine Prostituierte. Dann ist da eine ältere Frau mit einem Sohn, der Arbeit sucht. Ein weiteres Ehepaar: Jeden Morgen trägt die Frau dem Mann die Brotzeit hinterher, weil er sie jeden Morgen vergisst oder weil es inzwischen einfach ein Ritual ist. Auf solche Kleinigkeiten achtet Naruse und zeigt sie betont nebenbei.

Naruses Art ist nicht das Verharren, sondern fortwährende Modulation. Die Dinge sind im Fluss, sie fließen, aber sie springen auch, "springende Wasser": dieses geschieht und jenes, nie ruht der Blick lange genug, um melancholisch zu werden. Sehr fluide Schnitte, sehr direkte Untermalung der Szenen und Geschehnisse mit Musik. Michiyos Rückkehr zu ihrer Familie in Tokio - hier zeigt uns Naruse, ganz schlicht und andeutungsweise, einen Blick, ein Lächeln, ein Wiederzuhausesein - nur ist das Zuhause nicht mehr das Zuhause von früher.

Es gibt keine Aufgipfelungen von Gefühlen, keine Dramatisierung des Existenziellen. Als wäre es kein großer Bruch in ihrem Leben, wenn Michiyo aus ihrer Ehe flieht, zögernd und entschlossen zugleich, und nicht weiß, ob sie je zurückkehren wird. Es handelt sich hier um eine Art Erzählen des reinen Tuns, des Gefangenseins im Moment, eine Folge von Gegenwarten, die sich summieren und zusammenfügen zu einer Zukunft, die nicht anders aussehen wird als die Gegenwart. (Und weil alles immer schon fließend springt und springend fließt, sieht man auch keine Öffnung, keinen Raum für einen wirklichen Bruch oder Ausbruch. Die Kategorie des großen Sprungs, des Gelangens in eine andere Kategorie, die Erfindung eines anderen Blicks: all das scheint unmöglich und in dieser Unmöglichkeit ist die Form des Films mit der Welt, die er darstellt und der Heldin, die er in dieser Welt vorfindet, ganz im Einklang.)

Um diese Bindung zu zeigen und eine Fuge des Ausbruchs zu öffnen, die den - aber doch scheiternden und eben mit Notwendigkeit scheiternden - Versuch des Ausbruchs möglich macht, bringt der Film einen dritten Charakter ein, Satoko, die junge Nichte des Ehemanns. Sie ist aus dem Elternhaus geflohen, sie weiß nicht, ob sie aus Liebe heiraten soll oder des Geldes wegen. Satoko ist eine noch unabhängige Verführerin, noch unsicher im Leben, aber eine Figur eigenen Rechts, die ihr Leben an sich zu reißen versucht, mit mehr Entschlossenheit als Vernunft. Sie erscheint im Film als durchtrieben, gar zweifelhaft und doch ist sie nötig für Michiyos Aufbruch, der dann doch kein Ausbruch ist, denn das Drama, welches zu einer Wende führt, das bekommt sie nicht hin und das ist es auch nicht, was Naruse will. Das Glück, wenn es eines ist, ist eines des Wieder-Zusammen-Fügens, des Schließens der Fuge, deren Öffnung gewiss in Erinnerung bleibt.

Dass es genau darum geht, das Glück, seine Möglichkeit und sein Maß, das wird am Ende sehr deutlich - wie es an Klarheit, Deutlichkeit und der Fähigkeit, das Leid und seine Gründe zu erfassen, ohnehin nicht fehlt in "Meshi". Michiyo kehrt zurück nach Osaka, in die Ehe mit dem Mann, den sie nicht liebt. Es ist ein "Happy End", dessen tiefes Unglück in der sehr ermäßigten Vorstellung vom Glück liegt, das unter diesen Umständen möglich erscheint.

Ein Minimum an Handlung verbindet sich hier mit einem Maximum verfeinerter Nuancen; die strenge Stilisierung der Form ist in jenem Grad meisterhaft, in dem sie im Erscheinungsbild aufgehoben, wie vergessen scheint. Ohne Hast entwickeln sich die Dinge unangestrengt gleichsam aus sich selbst. Naruses Wärme und differenzierte Anteilnahme stehen nie im Widerspruch zum tragischen Grundton seiner Filme. Das Ergebnis ist das Paradox einer Kunst, in der Ruhe und Unruhe, Schmerz und Genuß zu geheimnisvoller Identität gekommen sind.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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