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Sanjuro (J 1962, A. Kurosawa)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 18.04.2007 22:24    Titel: Sanjuro (J 1962, A. Kurosawa) Antworten mit Zitat

gesehen am 16.02. und 07.02.2007 (DVD); 4/5

Ein Haudegenfilm, das ist eine Unterkategorie zum Samuraifilm. Kurosawa hat das Bauen von und mit Einstellungen bei Eisenstein gelernt und wie man daraus Pathos inszeniert, was, wenn Mifune spielt, paradoxerweise auch noch komisch ist.

Kurosawas Perspektive als Filmregisseur in den sechziger Jahren, das war der Rückgriff auf die Ausdrucksformen des populären Unterhaltungskinos: auf den Samurai-Film und Western einerseits, den Thriller bzw. Gangsterfilm andererseits, Genres, die er umdefinierte, intellektualisierte und stilistisch zu virtuosen, demonstrativ künstlichen Bravourstücken perfektionierte. "Yojimbo" ist gewiss das Glanzstück in dieser Reihe von Filmen, die sich mit "Die verborgene Festung", "Die Bösen schlafen gut", "Sanjuro", "Zwischen Himmel und Hölle" und "Rotbart" fortsetzt und mit letzterem eine Phase der kontinuierlichen Produktion abschließt. Danach hat Kurosawa, gewiss auch aufgrund finanzieller Probleme der japanischen Filmwirtschaft, nur noch in großen zeitlichen Abständen Filme drehen können.

"Sanjuro" ist durch formale Simplizität und durch die Wiederkehr von Motiven, die schon in "Yojimbo" auftreten, für diese Entwicklung exemplarisch. Kurosawa scheint sich mit dem Ehrgeiz zu begnügen, sich und sein Publikum mit Späßen über Dinge zu unterhalten, die einst mit gläubigem Ernst und Bewunderung bedacht wurden. Die destruktive Energie, der "Yojimbo" seine Wucht verdankt, ist ins Spielerische oder gar Verspielte gemildert, die kalkulierte Dramatik der Handlung anekdotisch aufgelockert. "Sanjuro" ist der Samurai-Film als Komödie pur; die „schwarzen“, grotesken und existentiellen Elemente von "Yojimbo" sind darin getilgt. Nur das Schlussduell bewahrt einen Einschlag von grotesker Kinoexzentrik. Es wird, nach langer, bewegungsloser Konzentration der Kämpfer, durch einen einzigen Schwerthieb entschieden. Aus der Brust von Sanjuros Gegner springt eine gewaltige Blutfontäne wie aus einem schadhaften Hydranten, dann bricht der Getötete lautlos zusammen.
So endet "Sanjuro" mit einem manieristischen Spektakel der Gewalt, das retrospektiv die Manierismen der Inszenierung insgesamt beleuchtet. Zu ihnen gehört etwa das Gestenrepertoire Mifunes, die Genüsslichkeit, mit der er sich kratzt und räkelt, gähnt oder nachdenklich über seine Bartstoppeln fährt – eine Körperbetontheit, die er auch schon in "Yojimbo" zur Schau trug. Diesem Solisten hat Kurosawa die Gruppe der jungen Samurai gegenüber- und als mal verstockte, mal beschämte Schüler an die Seite gestellt. Ihre Artigkeiten, ihre abgezirkelten Bewegungen, ihre sich jeweils verneunfachende Empörung oder Verwirrung wirkt, noch dazu rhythmisiert von der Filmmusik, als unwiderstehlich komische Choreografie – auch dies ein manieristisches Verfahren. Wenn man "Yojimbo" als heimlichen Gangsterfilm sehen kann, so "Sanjuro" als heimliches Musical, mit den neun jungen Samurai als Revuetruppe, deren Disziplin durch die überraschenden Freistil-Manöver ihres Anführers und Solo-Stars Sanjuro-Mifune immer wieder durcheinander gerät. Ihre Auftritte sind zu minutiös aufeinander abgestimmten Ensemble-Nummern komponiert; so ein Freudentanz zu Jazzklängen, wenn sie glauben, ihren Gegnern einen gelungenen Streich gespielt zu haben, oder, gleich zu Beginn, das „erleichterte“ Auftauchen ihre Köpfe aus den Fußbodenbrettern des Tempelschreins, unter denen sie sich versteckt hatten, einer Reihe empor schnellender Stehaufmännchen gleich.

In dieser komischen Verkleidung steckt das zentrale Thema des Films, Konflikt und Kontrast zwischen traditionalistisch-kollektiven und individualistisch-modernen Verhaltensformen, Sitten und Überzeugungen. Die einen, repräsentiert von den Samurai-Novizen, sind äußerlich, formal und trügerisch; die anderen, die Sanjuro ihnen vorführt, substantiell, provozierend und nützlich. Der erfahrende Kämpfer verwirrt die Jünglinge, deren Angelegenheiten er in die Hand genommen hat, durch seine Verstöße gegen den Samurai-Kodex, den man sie gelehrt hat. Er hat ungehobelte Manieren, verlangt Geld (etwas, was für einen Samurai aus dem Lehrbuch gar nicht existiert) und zieht die Überlistung des Gegners einem ruhmreichen, aber aussichtslosen Kampf vor.

Kurosawa versäumt nicht, das Festhalten an traditionellen Ehrbegriffen als verhängnisvolle Dummheit zu denunzieren. Die jungen Samurai, denen Sanjuros Verhalten unbegreiflich bleibt, schicken ihm zwei Späher ins feindliche Lager nach, weil sie einen Verrat fürchten. Die beiden werden entdeckt und gefangen genommen, und Sanjuro muss ein wahres Blutbad anrichten, um ihr Leben zu retten. Die überlieferte Etikette des Samurai-Kriegers, an der sich die jungen Hofleute orientieren, produziert auch ungewollt Mord und Gewalt.

Kurosawa hatte Sanjuro ursprünglich als eine Figur entworfen, die sich weniger durch kämpferisches Geschick als durch List und Intelligenz auszeichnete. Die erste Drehbuchfassung, entstanden nach einer Erzählung von Shugoro Yamamoto, war bereits vor "Yojimbo" abgeschlossen. Nach dessen Erfolg näherte Kurosawa die Titelfigur Tsubaki Sanjuro in mehreren Überarbeitungen dem Helden von "Yojimbo" immer stärker an. Die Zweifel an dem Männlichkeitsideal, das Sanjuro jetzt verkörpert, hat Kurosawa der Frau des Kammerherrn in den Mund gelegt, einer höchst kultivierten Hofdame. Obwohl sie dem Samurai ihre Befreiung verdankt, gibt sie ihm in einem literarischen Vergleich ihre Distanz zu verstehen. Er sei wie ein Schwert ohne Scheide, sagt sie, und fährt fort: „Aber gute, wirklich gute Schwerter sollten stets in ihrer Scheide bleiben und gar nicht erst benutzt werden.“ Bei aller Ironie, mit der Kurosawa diesen damenhaften Degout über die blutigen Abenteuer der Männer versieht, billigt er ihm doch das Recht der höheren Einsicht zu. Am Schluss hat Sanjuro sie sich zu Eigen gemacht. „Eure alte Lady hatte recht“, sagt er den jungen Samurai, die noch seinen Sieg bestaunen, und schickt sie nach Hause zurück – fast schon angewidert von dem Heroismus, den ihm Gegner und Bewunderer aufzwingen. Kurosawas Ansicht, dass die Welt schlecht dran ist, so lange sie Helden braucht, hat sich seit "Sieben Samurai" nicht gewandelt. Seine desillusionierten Samurai wissen es am besten. Tsubaki Sanjuro überträgt dem Samurai die Rolle des Plebejers, vor dem sich die Aristokraten blamieren. Es ist die letzte Metamorphose, in die Kurosawa den einstigen Glanz hinüber zu retten versucht. In "Kagemusha" und "Ran", die wieder die Welt der Samurai beschwören, sind sie im Menschenmaterial der Armeen aufgegangen, mit denen die Repräsentanten der feudalen Ordnung ihre Schlachten ausfechten.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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