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Midnight (USA 1939, M. Leisen)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 16.03.2019 00:54    Titel: Midnight (USA 1939, M. Leisen) Antworten mit Zitat

gesehen am 15.03.2019 (Kino: Filmclub 813); 4/5

Identity as a bounced check, love as the only risk investment worth a damn.

I wouldn't be at all surprised if this is both Colbert's finest hour and the best film ever made from a Wilder script. The key in both cases is restraint, the kind of restraint necessary to achieve true, no-holds-barred craziness. Leisen's decision to stay clear from all hysterics, for example, makes all the more sense when the scene with the fake phone conversation comes along: the birth of the perfect man-child.

Or the magnificent closing shot with one character after the other parading into and out of view, once again affirming their ultimate complicity in the game they had been a part of.

My favorite shot, though: Colbert's head resting on the pillow, her face turned away from the camera, an image of total, but incomprehensible self-sameness, the stillness in the eye of the cyclone.


Mitchell Leisen arbeitete fast zwanzig Jahre nur für die Paramount. Er war Vertragsregisseur – eine Bezeichnung mit einem Unterton von Sklaverei. Bei keinem Stoff in seiner ganzen Laufbahn habe er das Gefühl gehabt, dass er ihn unbedingt verfilmen müsse. „Ich bekam Aufgaben gestellt und versuchte, sie so elegant wie möglich zu lösen.“ Er war von seiner Ausbildung her Architekt und als solcher hat er das Geschäft des Filmemachens verstanden. Seine Filme sind gerade deshalb auch als Filme von Leisen erkennbar, weil der Zusammenarbeit über alles stellte. „Wir waren unschlagbar als Team“, erzählt sein deutscher Ausstatter Ernst Fegté. Damit gemeinst sind Kameramänner wie Charles Lang und Theodor Sparkuhl; Preston Sturges und Billy Wilder, die für ihn Drehbücher schrieben; Travis Banton, der die Kleider machte. Aber auch seine Darsteller Barbara Stanwyck, Claudette Colbert und Marlene Dietrich, Frederic March und Fred MacMurray. Und Leisen wiederum über Fegté: Ich hätte versucht sogar den Drehbeginn zu verschieben, nur um ihn dabeizuhaben.

„Good art ist usually good business“ war ein Slogan der 1930er Jahre in Hollywood. Man muss ihn zusammen sehen mit der Entwicklung der „dekorativen Künste“ in Europa, die auch durch sorgfältiges Design, der industriellen Fertigung vorausgehend, auf den Geschmack der Massen zielten. Howard Greer, der, nachdem er bei Paul Poirier in Paris gelernt hatte, Couturier der Paramount war, erinnert sich: „In New York und Paris schaute man natürlich verächtlich herab auf die Kleider, die wir in Hollywood machten. Sie waren vielleicht vulgär, aber auch voller Erfindung.“ Sie waren nicht gemacht, um im täglichen Leben getragen zu werden. Leisen arbeitete in den 1920er Jahren als Kostümbildner und Art-Director. Er ist der einzige Hollywoodregisseur mit diesem Entwicklungsgang. Die Machtposition, die sich die Art-Directors gegen Ende der 1920er Jahre in Hollywood errungen hatten, ist heute fast unvorstellbar. Die Ausstattung, die Sets, die Kleider waren im stummen Film zum wichtigsten Ausdrucksmittel geworden. Das Show-Kino löste die Burleske ab, nachdem Bewegung, bloße Bewegung, die erste Attraktion von Kino, genug bestaunt worden war. Die Art-Directors bestimmten mit ihren Sets nicht nur die Kameraführung, sie bauten sie sogar so, dass sie nur mit den Linsen ihrer Wahl zu fotografieren waren. Der Tonfilm brach ihre Macht. Aber Leisen hat weiter Filme mit Stummfilmästhetik gemacht. Er hat das Visuelle immer als sein Ausdrucksmittel über die Sprache gesetzt.

Alles, was Leisen vom Kino wisse, verdanke er seinem ersten Lehrer Cecil B. DeMille. Heute denkt man bei diesem Namen nur an Bibelfilme. Seine Sexdramen, die gewissermaßen das Schaukino schufen, in dem ganz offenkundig ist, wie Luxus und Erotik zusammenhängen, sind heute nirgends mehr zu sehen. Allein die Fotos lassen ahnen, was für eine extravagante Sprache sie sprechen. DeMilles erste Forderung an seine dressmaker und set-dresser war, ihm nicht zu kommen mit Dingen, die man auch im Laden kaufen konnte. „Den Zuschauern soll der Atem stocken!“ Und ansehen musste man den Dingen, dass sie teuer waren. Weil Faszination erst recht entsteht, wenn etwas ein Vermögen gekostet hat. Die Frauen in seinen Filmen zeigten immer doppelt Haut, die eigene, was meistens nur durch Verbrämung mit historischen Themen möglich war, und bei modernen Stoffen eine zweite die aus allem sich zusammensetzte, was schimmerte, aus Samt und Seide und Perlen und Pelzen – dazu schimmerte die Oberfläche der Nitrofilme ganz anders als der spätere safety-filmstock. Und all dieser Luxus war echt. Nicht, dass DeMille an authentischer Wiedergabe gelegen war. Am Authentischen ließ sich aber das wahre Ausmaß der Ausgaben taxieren. Diese Ausgaben waren umso irrsinniger, als sie nur fürs Auge bestimmt waren. Es war für eine Haut- und Oberflächenwelt, Vergeudung, Erzeugung von Dingen, die im üblichen Kreislauf der Rationalität, Rentabilität, Utilität und Reproduktion ausgenommen waren. Was diese Dinge definierte, waren ihre production values: die Aura von Kosten. Man machte Reklame mit seinen Ausgaben.

Das Kino der 1930er Jahre hatte die Burleske abgelöst, aber auch fortgesetzt. Der immer überdrehten und exaltierten Carole Lombard, die den Spitznamen „das fluchende Jazzbaby“ hatte, merkt man auch in Leisens Komödien noch an, dass sie Tempo und Timing bei Mack Sennett gelernt hat. Sie bringt es zwar nicht ganz auf vierundzwanzig Wörter pro Sekunde, dennoch hat man den Eindruck, dass, wenn sie den Mund halten würde, auch der Film zum Stillstand käme. Mit Jean Arthur in „Easy Living“ ist es ähnlich. Das ungeheuer schnelle Reden in diesen Filmen dient vor allem dazu, sich auf unsicherem Grund über Wasser zu halten. Mit dem Tonfilm hatten die Personen zwar die Sprache wiedergefunden und konnten sich so von neuem etwas mehr Bedeutung geben, aber das täuscht doch nicht darüber hinweg, dass in Wirklichkeit die Dinge das Regiment führen. Mit dem Film war die Herrschaft der Dinge über die Menschen darstellbar geworden. Laurel und Hardy wehrten sich, indem sie sie demolierten. Das Kino der Dreißiger in Amerika verpulverte sie auf seine Weise. Die Kamera hat keine Ohren, pflegte DeMille zu Zeiten des Stummfilms seinem Assistenten Leisen zu sagen; wenn Sie etwas sagen wollen, muss es in den Bildern stehen. Die Dinge sprachen, das veränderte alle bekannten Proportionen. Wo die Handlung selbst spricht, wo die Objekte die Herrschaft haben, hat sich der Schwerpunkt vom Subjekt in die Prädikate verlegt.

Der Beginn von Mitchell Leisens Regiekarriere fällt zusammen mit zwei Ereignissen, die tiefe Veränderungen im amerikanischen Film auslösten: der Depression und dem Aufkommen des Tonfilms. Der Tonfilm verdrängte den visuellen Reichtum von vorher, aber die Depression führte keineswegs zu ärmlicheren Filmen. Sie brachte im Gegenteil ein Genre zur Blüte, das, weil es darin nur um Geld und Erfolg geht, auch aufwendig gemacht sein musste. Zum Ausgabenkino gehört es auch allein schon deshalb, weil es sich um Komödien handelt. So leicht man in ihnen zu Reichtum kommen kann, so schnell kann man von oben nach unten kommen. In keinem der ernsten Filme über die Wirtschaftskrise spürt man wie in diesen Filmen den Schock, den der Krach von 1929 dem amerikanischen Selbstbewusstsein verpasst hat.

In diesen Filmen weiß jeder, dass amerikanischer Reichtum auch der unstabilste der Welt ist, der niemandem Ehrerbietung abnötigt. Es wimmelt in ihnen von Frauen, die auf reiche Männer aus sind – für sie entstand damals der Ausdruck gold-digger. Es wimmelt von Ladendiebinnen, Taschendiebinnen, Falschspielerinnen, die alle wie im Bann einer latenten Macht der Objekte stehen. Die Männer, denen sie begegnen, nicht nur die reichen, die armen ebenso, sind eher Trottel, loosers. MacMurray, auf den sich Carole Lombard in „Hands across the table“ kapriziert, ist schon in der zweiten Generation ein verarmter Magnatensohn. Weder stößt die Geldgier der Frauen ab, noch wirken die Männer lächerlich, weil sie so gar nichts von Helden haben. Das fällt auf.

Der Tausch von Geschlechterzuschreibungen soll das zeitbedingte Hauptthema von Leisens Filmen sein. Die Frauen sind allerdings die aktiveren, die Männer eher lethargisch. Aber ob die Frauen bei Leisen reüssieren, das hängt davon ab, wie sie sich mit dem wenigen, das sie haben, in Szene zu setzen verstehen. Claudette Colbert macht große Reisen grundsätzlich ohne Gepäck. In einem Goldlamékleid, der bekannten zweiten Haut, steigt sie in „Midnight“ im regnerischen Paris aus einem Abteil dritter Klasse. So macht sie ihren Weg. Im genreüblichen Geplänkel der Geschlechter werden zwar die Rollen oft vertauscht (die Männer sind simple Sexualobjekte, während die Frauen sich als zielbewusste Zockerinnen verhalten) – doch da diese Goldgräberinnen ein Herz aus Gold haben, setzen sie stets auf die charmante Null.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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