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Rene
User seit: 25.08.2006 Beiträge: 3171
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Verfasst am: 26.05.2019 00:30 Titel: High Life (F/D/GB/PL 2018, C. Denis) |
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gesehen am 25.05.2019 (Kino: Ponrepo, Prag); 3/5
Recycling, Mülltrennung, Wiederverwertung. Eine dunkle Magie spricht aus diesen Wörtern. Müll und Trennung und die ewige Wiederkehr innerhalb eines Schicksalskreislaufs, in dem alles, was entsteht, morgen schon Abfall ist, nur um erneut aus der Asche zu entstehen. Funktioniert nicht ungefähr so das Leben oder Shakespeare oder die Bibel?
Den Weltraum eignet sich Denis an, als wäre es nichts. Gesprochen wird Englisch, „der Sprache des Weltraums“, sagt Denis. Es geht um Kreisläufe auf begrenztem Raum in unendlicher Weite. Um den Austausch von Körperflüssigkeiten. Eine Truppe junger Strafgefangener soll, statt auf ewig nutzlos in Gefängnissen zu verrotten, dem Zwecke der Energiegewinnung zugeführt werden. Mit einem Raumschiff werden sie in Richtung eines schwarzen Lochs geschickt, um dessen Rotationsenergie anzuzapfen. Die Schiffsärztin verfolgt ihre eigene kleine Weltraummission: ein Kind zu zeugen und auszubrüten, trotz der für Neugeborene tödlichen Strahlung im Raumschiff. Dafür lässt sie sich in Röhrchen das Sperma der Männer geben, die sie "Sperma-Schamanin" nennen, und pflanzt es bei den Frauen ein. So geht nachhaltig reisen im Weltraum. Die unfassbaren Distanzen müssen schließlich über mehrere Generationen hinweg zurückgelegt werden. Ein Gemüsegarten an Bord des Schiffs spendet ökologisch angebaute Nahrung und Bilder, die an "Solaris" von Tarkowskij erinnern. Fäkalien heißen hier Schwarzwasser und werden in einer Aufbereitungsanlage erst zu Grauwasser, dann zu Weißwasser, das die Besatzung dann wieder trinkt. Nichts geht verloren. Keiner kann entkommen. Die Utopie als Knast.
Wie bei Kubrick oder Cuarón ist auch bei Denis der Weltraum schwarz. Die Sterne sind zu weit weg, als dass sie leuchteten. Wegen der fehlenden Schallübertragung im luftleeren Raum ist Totenstille. Näher kommen die Menschen dem Jenseits nicht. Sie gehen, wie es die Religionen und die sozialen Netzwerke versprechen, mit ihrem körperlichen Äußeren darin ein. Anschließend treiben sie im All, makellos und jung, gespeichert für alle Ewigkeit. Das Raumschiff aber fliegt weiter. Zum schwarzen Loch, das als gigantische Fata Morgana die Idee verkörpert, dass Dinge einfach verschwinden können. Der Recyclingkreislauf des Lebens rotiert um den Wunsch der Erlösung aus dem Sein.
Denis hat immer wieder die Kräfte untersucht, die entstehen, wenn Körper aufeinandertreffen. Etwa in "35 Rhum" (2008), wo eine Gruppe von Menschen in einer Bar strandet. Man tanzt miteinander, während die anderen gucken, trinkt ein paar Rum. Es geht nicht gemeinsam, aber vor dem Auseinanderdriften haben sie noch viel mehr Angst. Und dieser Drift passiert filmisch. Es entstehen Langsamkeiten, Lücken, kleine Vakuumschleusen, in die Angst flutet.
Oder "Beau Travail" (1999). Da hatte Denis nur vier Wochen, um eine Geschichte über homosexuelle Eifersüchteleien und Macht in einer Gruppe von Fremdenlegionären zu drehen. Also ließ sie ihre Schauspieler militärische Übungen aufführen, filmte ihre schwitzenden Körper, hörte auf, sich um das Skript zu sorgen. Es fehlten hinterher etliche Szenen, aber das war egal, denn eine in filmgeschichtlicher Hinsicht durch und durch französische Erkenntnis besagt: Je weniger man weiß, desto mehr sieht man.
Wie die Energie des schwarzen Lochs zurück zur Erde kommen soll, bleibt offen. Wie die Masturbationskammer (genannt "Fuck Box") der Schiffsärztin funktioniert, bleibt offen. Was sich am Ende des nach rechts abbiegenden Gangs befindet, der immer wieder zu sehen ist, bleibt offen. Deshalb ist dieser Film über geschlossene Stoffkreisläufe letztlich auch ein Film über das genaue Gegenteil: über das Offene. Sie solle "open" bleiben, rät Gérard Depardieu als Wahrsager noch seiner ebenfalls von Juliette Binoche gespielten Kundin am Ende von Denis' vorherigem Film "Un beau soleil intérieur". Einfach "open" bleiben, bis der richtige Liebhaber kommt. _________________ "Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion." |
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