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Mouchette (F 1966, R. Bresson)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 19.04.2007 11:14    Titel: Mouchette (F 1966, R. Bresson) Antworten mit Zitat

gesehen am 19.03.2007 und 15.05.2008 (DVD); 4/5

Die vierzehnjährige Mouchette lebt in einem kleinen Dorf in Südfrankreich und erfährt kein Zeichen von Verständnis und Liebe bei ihrer Familie, sie ist Außenseiterin in der Schule und muss sich zudem allein um ihre kranke Mutter und den kleinen Bruder kümmern. Im Wald wird sie Zeuge eines Streits zwischen einem Förster und einem Wilderer, der den Förster schließlich tötet und Mouchette in seiner Hütte im Rausch vergewaltigt. Am nächsten Tag kehrt sie verängstigt nach Hause zurück, ohne das Geschehene der im Sterben liegenden Mutter anvertrauen zu können. Mouchette hüllt sich in ein weißes Kleid und lässt sich von einem Hügel ins Wasser rollen – offenbar ein Selbstmord.

Im ersten Bild von "Mouchette" wird die Schlinge ausgelegt. In die Falle des Lebens tappen, sich daraus lösen und doch zum Tod sehnen: Mit diesem Widerspruch kämpfte Robert Bresson in seinen Filmen, und zwar auf eine karge, antidramatische und spirituelle Weise. Bresson war ein geheimnisvoller Einzelgänger. Im Dokumentarfilm von François Weyergans mit dem treffenden Titel "Bresson ni vu, ni connu" (weder gesehen noch gekannt) wirkt der weißhaarige Dandy völlig steif, unbeholfen. Als wolle er, der in seinen 13 Filmen nach einer asketischen "Schrift des Kinos" suchte, sich nicht von einem Blick vereinnahmen lassen. Als verkörpere er den Stil seiner Filme, über den er in seinen "Noten zum Kinematographen" orakelt: "Erbaue deinen Film auf Weißem, auf der Stille und auf Unbeweglichkeiten".

So wie er selber die Kamera scheute, hat er den professionellen Schauspielern misstraut: Lieber arbeitete er mit Laiendarstellern (so auch in „Mouchette“). Sie sollten nicht "scheinen", sondern "sein". Er wollte ihnen in unzähligen Takes alles Künstliche, Theatralische austreiben. Bresson kannte den Sog der Bilder, wenn seine vampirische Kamera den "Modellen" auf den Leib rückte. Er wollte in Momentaufnahmen das menschliche Verhalten studieren, nicht dramatisch erzählen. Trotzdem sammeln sich in den oft elliptischen, fragmentarischen Bildern dichte Geschichten von einer rüden "éducation non-sentimental". Sie kreisen um den inneren Kampf zwischen Körper und Geist und suchten die Nähe von Autoren wie Dostojewski, Tolstoi, Georges Bernanos und Julien Green.

Bresson war religiös motiviert, seine Filme aber wirkten philosophisch. Sie fragen. Sie zeigen die Selbstzweifel in "Journal d'un curé de campagne" (1951) oder spiegeln den Kreislauf des Lebens in "Au hasard Balthazar" (1966) am Schicksal eines geliebten und geschundenen Esels. Von Bernanos Roman "Mouchette" legte er den unversöhnlichen Kern frei: Die wilde 14-jährige Mouchette (Nadine Nortier) stößt in ihrer dörflichen Umwelt an Grenzen, Regeln, Verbote. Wenn sie vom Wilderer im Wald vergewaltigt wird und sich nach zwei spielerischen Anläufen in den See rollen lässt, zeigt Bresson nur Ausschnitte, verweigert er das obszöne Beweisbild. Das Wesentliche bleibt unsichtbar. Bresson bietet keine Identifikation mit seinen Figuren, die nach Erlösung suchen. Von "Un condamne s'est echappé" (1956) bis zu "Le diable probablement" (1978) und seinem letzten Film "L'argent" (1983) verengt sich ihr Spielraum immer weiter. Am Ende von "Mouchette" wird sich die Schlinge zuziehen. Aber, einmal, als sich das verschlossene Mädchen im Autoscooter durchschütteln lässt, bricht in seinem wildem Lachen die Freiheit heraus, von der Bresson träumte.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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