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Black Narcissus (GB 1947, Powell & Pressburger)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 25.09.2006 10:14    Titel: Black Narcissus (GB 1947, Powell & Pressburger) Antworten mit Zitat

gesehen am 20.09.2006 (DVD), 08./10.01.2011 und 08.01.2017 (BD); 5/5

Indien rekonstruiert. Nach Rumer Godden, die auch die Geschichte zu „The River“ von Jean Renoir lieferte. Die perfekte Studiotechnik, die in England etwas anderes bedeutet als in Hollywood, ihre absolutistische Künstlichkeit empfahl Michael Powell den Musterschülern von New Hollywood: Scorsese und Coppola.

Farbe im Kino, das war von Anfang an eine janusköpfige Angelegenheit. Den einen gefiel das „increase of realism“. Die anderen schwärmten davon, dass Farbe nun endlich als eigenständige Strategie filmischer Erzählung zu nutzen sei. Doch ob nun so oder so, Mitte der 1930er Jahre, mit der Entwicklung des Dreifarbeverfahrens von Technicolor, wurde auch im Kino möglich, was Henri Matisse 1935 „eine große Errungenschaft der Moderne“ genannt hatte: „das Geheimnis des Ausdrucks durch Farbe entdeckt zu haben.“ Für Hein Heckroth scheint schon ganz am Anfang, 1945, die Richtung klar, in „Caesar and Cleopatra“ von Gabriel Pascal, seinem Kinodebüt: Schon da sind die Farben der Kostüme genutzt, um dem Drama eine klarere Struktur zu geben. Wenn der herrische Feldherr und die kindliche Königin sich im Palast gegenüberstehen, er in seiner schwarz-gold-roten Uniform, sie in ihrem gold-türkisen Kleid, bekommt die Spannung zwischen ihnen durch den farblichen Kontrast eine weitere, geradezu frivole Nuance. Im Kontext ihres Spiels – des Konflikts zwischen souveräner Macht und koketter Laszivität – entspricht gerade der Zusammenprall von Rot und Blaugrün dem suggestiven Zauber, der die beiden zugleich vereint und trennt. Die Farben sind dabei weder in den Dienst der Geschichte noch ihrer Dramaturgie gestellt, sondern stehen ganz für sich – als Ausdruck ambivalenter Leidenschaft.

Und dann „Black Narcissus“: eine Geschichte zwischen Weiß und Rot, umrahmt von zwei plakativen Signalen in Grün. Dieses Grün, äußeres Zeichen exotischer Bäume und Pflanzen, ist symbolisch gesetzt. Es markiert die Grenzen des Geschehens. Zunächst veranschaulicht es die Abkehr vom weltlichen Leben; und am Ende deutet es an, dass eine Rückkehr zum Alltäglichen wieder möglich ist. Die Geschichte dazwischen, über die kleine Schar britischer Nonnen, die in einem Kloster im entlegenen Himalaya der Welt entfliehen, um einige Einheimische zu missionieren, diese Geschichte ist eine einziges Delirium in Musik und Farbe. Dass die Nonnen schließlich am eigenen Anspruch scheitern, auch an fremdem Klima und fremder Mentalität, ist einfach den Ereignissen abzulesen. Wie sehr sie aber den eigenen Gefühlen ausgeliefert sind, wie einige der Versuchung erliegen, andere ihr mit Mühe widerstehen, wie einige jede Haltung verlieren, andere sie gerade noch bewahren, das bringen vor allem Farbkomposition und Farbkontrast zum Ausdruck. Michael Powell und Emeric Pressburger, Alfred Junge, der Komponist, und Jack Cardiff, der Kameramann, arrangieren den Raum, in dem das Spiel der Farben ein neues, ganz eigenes Timbre zu entwickeln vermag: Wo etwas zum Klingen kommt, das nicht in üblicher Weise zu erzählen ist, sondern nur innovativ zu suggerieren. Der Farbe gelingt es, den extremen Affekten eine Kontur zu geben, dem Ekstatischen, auch dem Verbotenen. Und darüber die Zuschauer enger an die filmischen Emotionen zu binden. Heckroths Kostüme sorgen dabei für nachdrückliche Akzente. Sie verwundern, beeindrucken und verführen zugleich.

Das strenge Weiß der fließenden Nonnengewänder korrespondiert mit den schmutzig weißen Außenwänden des verfallenen Klosters und dem glänzenden Weiß der Bergspitzen, auch einmal mit dem Weiß der Milch, die der Junge der Oberin bringt. Dieses Weiß ist, da sollte man vorsichtig sein, nicht zu entschlüsseln über bloßen Symbolismus (wie etwa das Grün); man muss es als Träger einer Opposition nehmen, die tief ins Innere des Films reicht, die den Nonnen ihren Charakter gibt wie der Rhythmus der Melodie. Dagegen gesetzt ist das leuchtende Rot von Kanchis Lippen und ihrer Tracht, das Rot ihrer Bluse, der Fransen ihrer Schärpe, der Perlen ihrer Kette, ein Rot, das harmoniert mit dem roten Kopftuch des Prinzen, als er von seinem Parfüm spricht, dem klaren, funkelnden Rot der Frühlingsblumen und dem monochromen Rot bei Schwester Ruths Anfall, das alle anderen Farben aussticht, ja auslöscht; Signifikant von Leidenschaft und Krankheit zugleich. Das Rot steht gleichzeitig in Kontrast zum gediegenen Dunkelrot der Madonna, die als Schutzheilige des Klosters dient, und zum Signalrot der britisch-indischen Armee-Uniformen, das als Versprechen wirkt, ohne dass dies dann irgendeine Konsequenz hätte. Auch das Rot funktioniert jenseits symbolischer Signifikation. Es wirkt eher wie ein Werkzeug des Messens in einer Welt der Formen. Es wühlt auf, erschüttert und erregt zugleich. Das strenge Leben der Nonnen (in Weiß) wird gefährdet durch Ketzerei (in Rot) – und durch uneingestandene Gefühle, die ständig zu überborden (ins Rot überzugehen) drohen.

Wenn die weiße Tracht von Schwester Ruth schließlich blutverschmiert, also durchs befleckt ist, wird vorweggenommen, was alles auf die junge Frau zukommt an Versuchung und Leid. Die roten Lippen, die sie sich anmalt, voller Lust, sind dafür bloß ein weiteres Indiz. Höhepunkt ist dann, wenn sie das Weiß ablegt und ein dunkles Rot sich wählt. Ihr Kostüm wird zur zweiten Haut. Der Angriff auf die Oberin, für sie wichtigste Protagonistin des Weiß, ist Rebellion und Rache zugleich. Das „Duell“ am Glockenturm, hinter dem der Abgrund lockt, ist der Moment, der ihr ermöglicht, sowohl die verhasste Person wie das verabscheute Prinzip zu vernichten. Cardiffs Fotografie improvisiert da mit den Farben, welche Heckroths Kostüme vorgeben: Während das Weiß noch in der Nacht seine klare Strenge bewahrt, schwankt das dunkle Rot zwischen Purpur und Schwarz: zwischen Macht und Tod. Alles in diesem Film hat ein Eigenleben, wirkt für sich schön und doch nehmen alle Elemente Bezug aufeinander.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."


Zuletzt bearbeitet von Rene am 08.01.2020 01:20, insgesamt 12-mal bearbeitet
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