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Children of men (GB/USA 2006, A. Cuarón)

 
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Rene



User seit: 25.08.2006
Beiträge: 3171

BeitragVerfasst am: 12.11.2006 13:55    Titel: Children of men (GB/USA 2006, A. Cuarón) Antworten mit Zitat

gesehen am 11.11.2006 (Kino: Schauburg Karlsruhe) und 25.12.2018 (BD); 3/5

Am Anfang steht eine waghalsige Idee: Um das Jahr 2008 herum werden aus rätselhaften Gründen keine Kinder mehr geboren. Die Menschheit wird unfruchtbar. Der jüngste Mensch der Welt ist im Jahr 2027 gerade 18, als er von einem seiner Fans aus Versehen umgebracht wird, während wir in einem grauen, depressiven London unserem Helden Theo begegnen, einem desillusionierten Beamten, dargestellt von Clive Owen. Großbritannien ist ein Polizeistaat, die Fenster sind vergittert, in den Wäldern hausen Räuberbanden, urbane Terroranschläge sind an der Tagesordnung, Migranten strömen ins Land und werden stigmatisiert und in Käfige gesperrt – und dabei ist England noch die Insel der Seligen, denn der Rest der Welt ist komplett im Chaos versunken (natürlich leistet England mal wieder als letzte Bastion der Zivilisation fragwürdigen Widerstand). Theo besucht gelegentlich einen lustigen Althippie (Michael Caine), der in einer Waldhütte haust und Gras anbaut, sonst passiert wenig in seinem Leben, bis seine Ex-Frau (Julianne Moore), mittlerweile Untergrundaktivistin, ihn eines Tages entführen lässt und ihm einen Auftrag gibt: Er soll eine junge Frau außer Landes schaffen – selbige ist nämlich im achten Monat schwanger. Theo beginnt eine Reise, die bald zur Flucht wird, und versucht inmitten einer Menschheit, die sich im Angesicht des Unterganges selbst zerfleischt, sein eigenes und das werdende Leben zu retten.

Entsprechend pathetisch entwickelt sich „Children of Men“ von einem Zukunftsthriller zu einer gespenstischen Neuauflage der Weihnachtsgeschichte. Die Immigrantin, die Theo als wandelndes Alibi begleiten soll, entpuppt sich als hochschwanger – und als hochgefährdet. Wohl nicht zu Unrecht unterstellt die Untergrundbewegung der herrschenden Macht, einen Flüchtling niemals als Mutter des ersten Neugeborenen zu akzeptieren, doch auch innerhalb des Widerstands wird Kee vor allem als politisches Faustpfand gehandelt. Theos Ex-Frau stirbt, weil sie die werdende Mutter dem Human Project übergeben will – einer humanitären Vereinigung, die wie der Fliegende Holländer auf den Weltmeeren umher schippert, und von der niemand weiß, ob sie existiert oder ob sie doch nur eine aus der Verzweiflung geborene Chimäre ist. Die eher dem Realen verpflichtete Fraktion des Untergrunds plant derweil, aus der Schwangeren eine Jeanne d’Arc der Revolution zu machen.

Das ist nun eine ziemlich gewagte Geschichte, aus der man auch einen ganz furchtbaren Film hätte machen können. Dass es kein solcher geworden ist, liegt zum einen am erbarmungslosen Detailrealismus der Filmemacher, an der konsequenten Ernsthaftigkeit, mit der die Idee bis zum Ende durchgezogen wird, und zum anderen am großen Mut zu großen Lücken. Es gehört nämlich viel dazu, sich eine ganze Welt auszudenken, und die meisten scheitern daran – Hollywoods imaginäre Welten wirken oft eher wie ein Kinderzimmer, dem man entwachsen ist. Das Jahr 2027 aber, das wir hier sehen, ist akribisch durchdacht und zugleich voller Seitenhiebe auf die Welt, in der wir heute leben („the future is around the corner“). Andererseits aber läuft Cuarón nicht in die Falle, alles erklären zu wollen. Er lässt Leerstellen, zu denen man sich selber etwas denken darf – wo kam die Unfruchtbarkeit eigentlich her? Wo geht die Reise am Ende hin?

„Children of Men“ verbindet seine biblische Fabel mit den Eigenschaften eines guten Genrethrillers: Er ist packend und geradlinig inszeniert, schickt vielschichtige Figuren durch eine temporeiche Fabel und spiegelt die große gesellschaftliche Erzählung überzeugend in der Handlungsweise seiner Helden. Es ist weniger die Angst vor dem kommenden Ende, die diese unheilvolle Zukunft bestimmt, als vielmehr die Trauer über das Verlorene. Mag sein, dass „Children of Men“ vor allem ein Gedankenexperiment ist, das zeitgenössische Ängste und christliche Motive zu spannender Science Fiction überhöht. Mehr als zehn Jahre nach seiner Uraufführung wirkt das Gezeigte aber erschreckend plausibel.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."
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