[Rene]

gesehen am 30.12.2006 (DVD), 3/5

Kafka trifft Hitchcock in der Postmoderne. Und Scorsese ist der Puppenspieler, in seiner Heimatstadt New York, nahe an Little Italy, wo er aufgewachsen ist. Scorsese scheint New York wirklich zu brauchen als Handlungsort, es begründet seine erzählerische Ungeduld, die sich manifestiert in seinen filmischen Taschentricks. Nur in seinen New York-Filmen wirkt das überzeugend. Er scheint etwas zu überliefern, ein Stück urbaner Geschichte, aus erster Hand. Von heute aus reibt man sich die Augen wegen des Bildes, das man von New York durch seine Filme bekommen hat. In der Wirklichkeit hat sie sich schneller verändert als die Filme gealtert sind. Heute müsste er die Stadt schon re-patinieren.

SoHo in den 80ern und die hier dargestellte Subkultur haben unübersehbare Parallelen zur social media-Welt des 21. Jahrhunderts - wenn in einer individualisierten Gesellschaft alle menschlichen Handlungen gleich wichtig werden, gehen Bedeutung und Perspektive abhanden. Die voyeuristische Blick ist durch den Protagonisten Paul Hackett - er hat sein Geld verloren und will nur nach Hause - moralisch vermittelt.

Hackett wird einem nicht sympathisch durch sein Dilemma, er ist ein Mann ohne Eigenschaften, seine Erwartungen an andere sind durch seine Phantasien bestimmt. Seine Verhaltenscodes hat er aus dem Kino und von Henry Miller. Das wirkliche Leben überfordert ihn. Es sind dann auch die vermeintlich Verrückten in diesem Film, die mit dem Leben etwas zu tun haben. Den beiden Frauen, die er kurzzeitig begehrt, hat er nichts anzubieten, nur konsequent, dass da auch nichts passiert - bemerkenswert ist, dass der Film fast eine Stunde dafür aufwendet. Es ist ein Film über eine tiefsitzende sexuelle Frustration.

Einmal taucht Scorsese im Film kurz auf und macht es Hitchcock gleich - von oben schaut er auf Hackett im Nachtclub Berlin herab und richtet eine Filmlampe nach ihm, wenn der durch die Menge getrieben wird.

AFTER HOURS ist ein typischer Scorsese aus der mittleren Phase, das alte Hollywood hatte die Tore zugemacht, die in den 70er Jahren noch so weit geöffnet waren und die Frage stand im Raum: Kann Scorsese auch kleine Filme, ohne die inflationären Budgets, die er heute mittlerweile durch seine engagierten Stars bekommt? Die Reduktion schafft jedenfalls Platz für Interessanteres. Nie hat Scorsese die Stadt räumlich so zerdehnt gezeigt wie hier - in allen Farben der Nacht sozusagen - und der Film zeigt: die sind schon am nächsten Morgen verschwunden oder haben die Klangfarbe gewechselt. Als prekärer Seiltanz zwischen Komödie und Horrorkino hat der Film sich zu Hacketts neuerlichem Dienstbeginn längst auserzählt – das Gewerbe seiner Episoden hat etwas Funktionales und wir haben uns einfach einmal im Kreis gedreht: der Rationalist Paul Hackett ist da, wo er am Anfang war und die Perspektive und Haltung des Films ist die seine.
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"Film is like a battleground: love, hate, action, violence, death. In one word: emotion."